Grüngewaschen


Aus DER RABE RALF April/Mai 2021, Seite 22

Wo grün draufsteht, ist nicht automatisch grün drin – aber einige Tricks lassen sich erkennen

Foto: Jonathan McIntosh

Eine Plastikflasche, darüber in grüner Farbe der Schriftzug: „Aus alter Flasche wird neue Flasche“. Mit diesem Plakat warb ein bekannter deutscher Discounter für Wasser aus der Einweg-Plastikflasche. Die Flasche ist toll, weil sie recycelt wird und daraus neue Flaschen werden – das suggeriert zumindest die Werbung.

Doch wäre es nicht noch toller, stattdessen Mehrweg-Glasflaschen zu kaufen oder einfach das Wasser aus dem Hahn zu nehmen? Diese Möglichkeiten bleiben bei der Werbung außen vor, schließlich soll die Einweg-Plastikflasche so grün wie möglich dargestellt werden. Ihr soll ein grünes Image verpasst werden, und über alles, was dabei stören könnte, wird einfach nicht gesprochen. Diese Vorgehensweise, die heute von vielen großen Unternehmen angewendet wird, nennt sich Greenwashing.

Laut Wörterbuch bezeichnet Greenwashing den Versuch von Unternehmen, sich durch PR-Maßnahmen als besonders umweltbewusst und vor allem umweltfreundlich darzustellen. Das Wort kommt aus dem englischsprachigen Raum und bedeutet wörtlich „grünwaschen“. Und genau darum geht es, bestimmte Produkte oder gleich ganze Firmen sollen einen grünen Anstrich oder ein grünes Mäntelchen bekommen, damit sie als nachhaltig oder ökologisch erscheinen.

Dass immer mehr Menschen Nachhaltigkeit beim Einkaufen wichtig finden, haben inzwischen fast alle großen Unternehmen erkannt und reagieren auf diesen „Trend“. Sie wollen möglichst umweltfreundlich erscheinen, um auf dem Markt vorn zu bleiben – und dabei kommen nur zu oft Greenwashing-Strategien zum Einsatz. Vor allem dann, wenn die Unternehmen genau wissen, dass ihre Produkte schlecht für die Umwelt sind.

Das Problem dabei: Beim Einkaufen ist oft nicht gleich erkennbar, ob es sich um Greenwashing handelt. Doch es gibt einige typische Strategien, auf die Unternehmen gerne zurückgreifen. Wenn man sie kennt, fällt es leichter, Greenwashing zu durchschauen und nicht auf die Tricks hereinzufallen.

Falsche Assoziationen

Eine erste Strategie besteht darin, ein umweltfreundliches Produkt anzubieten und damit intensiv zu werben, so dass das gesamte Sortiment irgendwie grün erscheint. Ein fiktives Beispiel: Ein Supermarkt nimmt eine Schokolade ins Angebot, bei der groß darauf hingewiesen wird, dass sie unter fairen und nachhaltigen Bedingungen hergestellt wird. Es wird betont, dass alle Beteiligten faire Löhne bekommen und gute Arbeitsbedingungen haben, dazu gibt es passende Fotos. Auch seriöse Öko- und Fairtrade-Siegel sind vorhanden. Der Supermarkt nutzt die Schokolade als Aushängeschild für sich und sein gesamtes Sortiment. Dabei wird nicht erwähnt, dass die Arbeitsbedingungen und Umweltstandards bei der Herstellung der vielen anderen Produkte höchstens durchschnittlich sind.

Eine weitere, sehr häufige Greenwashing-Strategie ist der gezielte Einsatz der Farbe Grün. Das funktioniert tatsächlich, denn wir lassen uns beim Einkaufen unbewusst von Farben beeinflussen. Grüntöne in der Werbung oder im Laden werden von den meisten Menschen mit Begriffen wie pflanzlich, bio, nachhaltig oder umweltfreundlich assoziiert. Wenn dann noch unser Planet zu sehen ist oder ein paar Bäume die Verpackung zieren, ist die Werbung für das vermeintlich umweltfreundliche Produkt perfekt. Wir müssen also genauer hinschauen, ob es sich wirklich um ein umweltfreundliches Produkt handelt.

Seriöse und unseriöse Siegel

Dabei können verschiedene Siegel helfen. Einige davon sind seriös, wie das EU-Bio-Logo (ein Blatt aus Sternen) mit der Angabe „aus kontrolliert biologischem Anbau“ oder die Logos der ökologischen Anbauverbände wie Demeter, Bioland, Naturland. Dafür gibt es genau festgelegte Anforderungen, und nur, wenn diese erfüllt sind, darf das Siegel auf die Verpackung gedruckt werden. Die Regeln der Anbauverbände sind dabei strenger als die für das EU-Logo.

Weitere Siegel, denen man weitgehend vertrauen kann, sind zum Beispiel das blau-grüne „Fairtrade“-Siegel für fairen Handel und der „Blaue Engel“ für besonders umweltschonende Produkte. Nur mit starken Abstrichen seriös sind die Nachhaltigkeitssiegel FSC für Holzprodukte und MSC für Fisch.

Neben den Siegeln mit festen und überprüfbaren Standards existiert eine Vielzahl an anderen Zeichen, die häufig von den Unternehmen selbst ins Leben gerufen wurden und wenig oder keine konkreten, nachprüfbaren ökologischen oder sozialen Anforderungen haben. Da es allein in Deutschland mehrere hundert Siegel und Logos gibt, bietet es sich an, die wichtigsten, deren Standards einem persönlich wichtig sind, zu kennen.

Besser als schlecht ist noch nicht gut

Eine ebenfalls beliebte Strategie ist der Vergleich eines Produktes mit einem noch umweltschädlicheren Produkt. Auch wenn das eine Auto 20 Prozent weniger Abgase verursacht als ein anderes, verursacht es trotzdem noch Abgase. Dadurch ist dieses Produkt noch lange nicht umweltfreundlich.

Noch lange nicht umweltfreundlich sind auch Unternehmen, die sich scheinbar großzügig für den Umweltschutz engagieren. Sicherlich haben Sie schon einmal von Aktionen gehört wie „Für jeden Kauf einer Vorteilspackung pflanzen wir einen Baum!“ oder „Pro Einkauf spenden wir 1 Euro für den Erhalt des Regenwaldes“. Solche Slogans hören sich toll an, doch auf den zweiten Blick erkennt man oft schon, dass sie von einer weniger glanzvollen Seite ablenken sollen.

Denn genau das ist das Ziel aller Greenwashing-Strategien: Sie lenken von den wirklichen Problemen ab: Umweltbelastung, Produktmängel, unfaire Behandlung von Beschäftigten oder Zulieferfirmen. Oder davon, dass ich das Produkt mit dem grünen Image eigentlich gar nicht brauche.

Geht Konsum überhaupt nachhaltig?

Der gezielte Einsatz von Greenwashing-Methoden soll uns also dabei unterstützen, die Augen vor den Problemen zu verschließen. Ja, wir sollen extra das Gefühl bekommen, umweltfreundlich und fair zu handeln und etwas Gutes zu tun. Wenn wir den Kauf eines bestimmten Produkts mit einem guten Gefühl verbinden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir dieses oder ein ähnliches Produkt noch einmal kaufen – damit wir uns noch einmal gut fühlen können. Genau das ist aber das Problem: der große Unterschied zwischen dem Gefühl, nachhaltig zu handeln, und wirklicher Nachhaltigkeit.

An dieser Stelle müssen wir uns aber auch fragen, ob unsere Wirtschaft, so wie sie gerade organisiert ist, überhaupt nachhaltig werden kann. Kann unsere Wirtschaft auf allen drei Ebenen der Nachhaltigkeit – ökologisch, ökonomisch, sozial – bestehen? Sämtliche Obst- und Gemüsesorten das ganze Jahr über im Supermarkt zu verkaufen ist natürlich alles andere als nachhaltig. Auch dass wir alte Geräte, statt sie zu reparieren, besser durch neue ersetzen sollen, schafft keinen Anreiz für Nachhaltigkeit. Und die Ausbeutung von Näherinnen in Asien, damit bei uns sieben „Fast Fashion“-Kollektionen pro Jahr in den Läden hängen können, kann auch nicht nachhaltig sein.

Die Macht der Verbraucher:innen

Für die Unternehmen sind Greenwashing-Strategien nur ein Mittel zum Zweck, ihren eigenen Gewinn zu steigern. Wir sollten nicht vergessen, dass es sich oft um große, international agierende Unternehmen handelt, die das Verlangen der Kundschaft nach umweltgerechten Produkten als Trend erkannt haben und nun in ihrer Werbung umsetzen. Ein wirkliches Interesse an Nachhaltigkeit ist den meisten dieser Unternehmen bei näherem Hinsehen nur schwer abzukaufen.

Vielleicht fragen Sie sich jetzt, welchen Unternehmen und Angeboten man noch vertrauen kann und welche Möglichkeiten man als Konsument:in überhaupt hat. Zu den umweltfreundlichsten Formen des Konsums gehört das Einkaufen regionaler und saisonaler Produkte, bevorzugt bei kleineren lokalen Unternehmen. Dort, wo es sich anbietet, ist auch Selbermachen immer eine gute Alternative zum Kauf.

Natürlich ist nicht jedes Angebot, das auf Nachhaltigkeit setzt, von Greenwashing durchzogen. Es gibt durchaus einige kleinere Unternehmen, die in allen Aspekten nachhaltig handeln. Wenn wir dort kaufen, ist das ein wichtiger Schritt gegen Greenwashing, denn es zeigt, dass es uns nicht nur um ein gutes Gefühl geht.

Wir als Konsument:innen sollten nie vergessen, welche Macht wir auf dem Markt haben können. Schließlich sind wir es, die die Kaufentscheidungen treffen. Wie bei vielen Dingen im Leben gilt auch hier: hinterfragen. Denn nur weil grün draufsteht, ist nicht automatisch grün drin.

Kora Stehr

Weitere Informationen:
www.verbraucherzentrale.de/label

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