Ketzerische Backsünden

Aus DER RABE RALF Dezember 2018/Januar 2019, Seite 24

Leckere Rezepte mit glutenhaltigem Weizenmehl, raffiniertem Zucker und viel Butter 

Digestives sind „Verdauungskekse“, schmecken aber gar nicht so. (Foto: Sarah Buron)

Beim Essen kann man es eigentlich nur falsch machen. Mal ist das Fett böse, dann wieder die Kohlenhydrate. Getreide wird plötzlich zur Gefahr (Gluten!) und Zucker ist ein Suchtmittel. So kann man die Adventszeit nicht mehr ohne schlechtes Gewissen genießen.

Man begibt sich also auf die Suche nach gesunden Alternativen – Hauptsache das Naschwerk fühlt sich weniger nach Sünde an. Ein Youtube-Kanal zum Thema Backen verspricht beispielsweise ein Kuchenrezept ohne Zucker. Das klingt sehr gesundheitsfördernd. „Man nehme 100 Gramm Datteln“, verkündet die Dame. Nun muss man keine Lebensmittelchemikerin sein, um zu wissen, dass Trockenfrüchte sehr süß sind. Und tatsächlich enthalten 100 Gramm Datteln 65 Gramm Zucker. So ein Dattelkuchen ist also bestimmt lecker, aber zuckerfrei ist er nicht! Genauso wenig wie die „natürlichen Zucker-Alternativen“ Agavendicksaft und Honig.

Wer hat Angst vorm weißen Zucker?

Der vermeintlich „unnatürliche“ weiße Haushaltszucker wird aus den natürlichen Pflanzen Zuckerrübe oder Zuckerrohr gewonnen. Hier stellt sich die nächste Glaubensfrage: Für viele steht fest, dass weißer Zucker viel ungesünder ist als der unraffinierte braune Zucker. Tatsächlich enthält der unraffinierte Zucker auch Mineralstoffe – allerdings nur etwa ein Prozent. Wer seinen Mineralstoffbedarf auf diesem Weg stillen will, muss ihn also kiloweise essen.

Das einzige, was an unraffiniertem Zucker „öko“ ist, ist der geringere Energieverbrauch bei der Herstellung, weil mehrere Verarbeitungsschritte entfallen. Allerdings handelt es sich meist um Rohrzucker, der aus Übersee zu uns transportiert werden muss, während Rübenzucker von heimischen Äckern stammt.

Wüster Weizen

Dass Backwaren oft aus Weizen hergestellt werden, ist der nächste Hammer. Man könnte meinen, Mehlpackungen müssten mit Schockbildern à la Zigarettenschachtel versehen werden, weil das Getreide für praktisch jede Krankheit verantwortlich sein soll. „In Deutschland, in Europa und in der ganzen Welt hat Weizen eine Spur der Verwüstung hinterlassen“, behauptet Dr. William Davis aus den USA in seinem Bestseller „Weizenwampe“. Das klingt so, als seien die Pest und der Dritte Weltkrieg gleichzeitig ausgebrochen.

Hauptübeltäter ist Gluten, ein Kleber-Eiweiß im Weizenkorn, das von einem Prozent der Bevölkerung nicht vertragen wird. Bei diesen Menschen führt Gluten zu ernsten Gesundheitsschäden. Doch immer mehr von den 99 Prozent nicht Betroffenen glauben nun, das Gluten verursache bei ihnen ein Zipperlein. Ein diffuses Syndrom, das „Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität“ genannt wird und von Professor Peter Gibson aus Melbourne erstmals beschrieben wurde. Der gleiche Forscher veröffentlichte schon 2014 eine Nachfolgestudie, in der er feststellte, dass es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ein psychologisches Phänomen handelt und glutenhaltiges Essen bei den Probanden nicht mehr Bauchweh verursachte als glutenfreies. Trotzdem hat der freiwillige Weizenverzicht weiter Hochkonjunktur, ebenso wie überteuerte Ersatzprodukte.

Böse Butter

Im Superfood-Regal des Bioladens lauert ebenfalls der Tod. „Kokosöl ist das reine Gift“, verkündete die Ernährungswissenschaftlerin Karin Michels jüngst in einem Vortrag, der sich im Internet wie ein Flächenbrand ausbreitete. Die Professorin aus Freiburg dürfte damit für die eine oder andere Angstneurose unter den Anhängern des Trend-Fetts gesorgt haben, die Kokosöl und Wundermittel für alle Lebenslagen kultisch verehren.

Immerhin ist Butter inzwischen rehabilitiert. Lange galt sie wegen ihrer gesättigten Fettsäuren als Cholesterin-Killer, aber die Zusammensetzung der Fettsäuren ist bei weitem nicht so ungünstig wie angenommen. Die beste Fettsäurenzusammensetzung hat übrigens die Butter aus Milch von Kühen in Weidehaltung.

Zucker + Gluten + Butter = Plätzchen!

Ernährungsempfehlungen ändern sich immer wieder. Die sogenannten Digestives wurden im Jahr 1839 von zwei schottischen Ärzten zur Verdauungsförderung entwickelt, nach dem Motto: Esst Kekse für die Gesundheit! Nur echt mit Zucker, Gluten und gesättigtem Fett! Die folgenden Plätzchenrezepte finden Sie also garantiert nicht in dem Bestseller „Dumm wie Brot – Das Kochbuch: So verhindern Sie, dass Weizen Ihr Gehirn zerstört“. (Ja, dieses Buch gibt es wirklich!)

Quälen Sie sich nicht länger mit Enthaltsamkeit. Bald ist Weihnachten, draußen ist es kalt und dunkel und ich behaupte – ohne statistischen Beweis –, dass diese Plätzchen Winterdepressionen heilen können! Es macht Spaß, sie zu backen, den Teig zu naschen, auszustechen und zu verzieren. Und dabei gemeinsam Glühwein oder heiße Schokolade zu trinken, während es köstlich aus der Küche duftet.

Digestive

100 g Haferflocken
100 g Weizen- oder Dinkelvollkornmehl
50 g brauner Zucker
1 Päckchen Vanille-Zucker
100 g kalte Butter oder Margarine
1-2 EL Milch
50 g Zartbitterschokolade

  1. Haferflocken mit einem Mixer oder mit dem Pürierstab zu grobem Mehl zerkleinern und dieses mit dem Vollkornmehl, Zucker und Vanillezucker in einer Schüssel mischen.
  2. Die Butter in Würfel geschnitten dazugeben und mit bemehlten Händen verkneten. Die 1-2 Esslöffel Milch hinzugeben, bis der Teig zusammenhält und etwas feucht ist.
  3. Mit einem Löffel jeweils eine walnussgroße Teigmenge abteilen und zwischen den Handflächen zu einer Kugel rollen, diese dann flachdrücken (etwa 4 mm hoch) und auf ein Backblech mit Backpapier legen.
  4. Im vorgeheizten Backofen etwa 15 Minuten bei 180 °C backen. Mit flüssiger Schokolade einpinseln.

Tipp: Die Schokolade in Stückchen brechen und in einer kleinen feuerfesten Form kurz in den ausgeschalteten, aber noch heißen Ofen stellen, so dass sie schmilzt – das erspart das Schmelzen im Wasserbad. 

Zitronige Mürbeteig-Plätzchen

450 g Weizenmehl Typ 405 oder 550
150 g Puderzucker
250 g Butter
1 Ei
1 Bio-Zitrone für Abrieb  

Für den Zuckerguss:
100 g Puderzucker
1 EL Zitronensaft 

Zum Verzieren:
Schokolade, bunte Streusel, Krokant, gehackte Nüsse usw. nach Wunsch

  1. Die Schale von der Bio-Zitrone abreiben. Die Zitrone danach auspressen und den Saft beiseite stellen.
  2. Das Mehl und 150 g Puderzucker in eine Schüssel sieben. Das Ei, die in Würfel geschnittene Butter und den Zitronenabrieb hinzugeben und alles mit den Händen verkneten, bis ein glatter Teig entsteht.
  3. Den Teig eine Stunde im Kühlschrank ruhen lassen. Das ist wichtig, damit sich er sich gut weiterverarbeiten lässt!
  4. Den Teig portionsweise mit einem bemehlten Nudelholz (oder einer Weinflasche) auf einer bemehlten Arbeitsfläche ausrollen. Plätzchen ausstechen und auf ein Backblech mit Backpapier legen.
  5. Im vorgeheizten Backofen bei 160 °C etwa 12-15 min backen. Die Plätzchen sehen dann eher blass und weich aus, werden aber beim Abkühlen schön mürbe – also nicht zu lange drin lassen, damit sie nicht steinhart werden!
  6. Beim Verzieren kann man sich austoben: Für den Zuckerguss 100 g Puderzucker mit ca. 1 EL Zitronensaft mischen. Auf dem Guss oder auf geschmolzener Schokolade kann man bunte Streusel, gehackte Nüsse und Krokant verteilen – oder was immer man möchte.
Bei Plätzchen sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt. (Foto: Sarah Buron)

Guten Appetit!

Sarah Buron


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