Klima-Folgen

Aus DER RABE RALF April/Mai 2023, Seite 12

Folge 14: Wälder im Stich gelassen – Forst- und Holzwirtschaft versagen beim Klimaschutz

Die meisten Bäume sterben leise – nicht spektakulär genug für Medienberichte. (Foto: László Maráz)

Es ist derzeit schwer einzuschätzen, wie es den Wäldern wirklich geht. Die zahlreichen Berichte darüber sind nicht nur sehr unterschiedlich, sondern teilweise so geschickt formuliert, dass die Verwirrung eher zunimmt. Fest steht, dass im Hitze- und Dürresommer 2022 wieder zahllose Bäume und Forstflächen geschädigt oder gar zerstört wurden. in Europa verbrannten zwischen 600.000 und 800.000 Hektar Waldflächen. Deutschland ist hier weniger betroffen, die Debatten werden dennoch recht hitzig geführt.

Ursache von Waldbränden ist fast ausschließlich Fehlverhalten von Menschen. Keine Hitzewelle, keine noch so große Menge dürren Holzes kann ein Feuer auslösen. Dafür sind Temperaturen über 280 Grad erforderlich. Auch brennende Feuer werden durch Totholz nicht verstärkt, da es meist auf dem Boden liegt, teilweise vermodert und auch im heißen Sommer zu feucht ist, um als Brandbeschleuniger zu dienen. Auch die Rufe nach einer verbesserten – und teuren – Brandbekämpfung lösen das Problem nicht. Natürlich lassen sich alle Arten von Bränden mit besserer Ausrüstung und Organisation rascher löschen. Die Klimakrise als Hauptursache der Brände wird aber in der Berichterstattung und den dann folgenden Debatten meist verschwiegen.

Die meisten Bäume sterben leise. Sie verlieren ihr Laub und sind danach kaum noch sichtbar – für Medienberichte viel zu unspektakulär. Im Zuge der sich verschärfenden Klimakrise geraten fast alle Wälder an ihre Grenzen. Viele Bäume können sich mit massiven Blattverlusten zwar auch über längere Dürreperioden retten. Doch ein, zwei weitere Hitzejahre dürften viele von ihnen nicht überleben. Was auch übersehen wird: Die überlebenden Bäume produzieren kaum Holz. Bei Wassermangel und bei großer Hitze wird die Produktion ganz eingestellt.

Mehr Holzeinschlag als Allheilmittel?

Vor diesem Hintergrund sind viele der aktuellen Debatten um Wald- und Holznutzung wenig hilfreich. Manche Interessengruppen wollen die Waldbewirtschaftung verstärken: Mehr Holzeinschlag, um die klimaschützende Wirkung der Holzverwendung deutlich zu steigern, denn andere Werkstoffe wie Beton, Stahl oder Kunststoffe sind viel energieintensiver. Oder mehr Holzeinschlag, um mehr Energieholz verbrennen zu können, weil es angeblich „klimaneutral“ ist. Oder mehr Holzeinschlag, um die leidenden Kunstforste zu „klimastabilen“ Wäldern umzubauen.

An einigen Vorschlägen ist durchaus etwas Wahres dran. Es gibt in Deutschland viele Waldflächen, besonders im Kleinprivatwald, in denen Nadelbäume dicht an dicht stehen, weil jahrzehntelang kein Holz geerntet wurde. Solche Holzvorräte von 500 bis 600 Kubikmetern pro Hektar – der Durchschnitt in Deutschland liegt bei etwa 350 – könnten deutlich abgebaut werden, bevor sie der nächsten Hitzeperiode zum Opfer fallen. Man könnte hier große Mengen wertvolles Bauholz ernten, ohne die Flächen kahlzuschlagen, damit neue Baumbestände im Schutz von lebenden und abgestorbenen Bäumen aufwachsen können. Dafür könnte man andere Waldflächen schonen und dort eine behutsamere Holzernte durchführen, damit Sonne und Wind die Bestände nicht weiter austrocknen. Mehr Holzeinschlag also in bestimmten Waldgebieten, um viel Bauholz für klimaschonende Aus- und Neubauten gewinnen. Weniger Holzeinschlag auf der überwiegenden Waldfläche. Dass die nachwachsende Holzmenge ihre Grenzen hat und künftig sogar abnehmen dürfte, wird leider meistens verschwiegen.

Klimaneutrale Holzverbrennung?

Auch beim Energieholz ist die Sache differenziert zu betrachten. Emissionsfrei ist die Verbrennung von Holz natürlich nicht, sonst bräuchte man keine Schornsteine. Wird aber nur Holz verbrannt, das weder im Wald bleiben muss noch einer besseren Verwendung dient, entsteht auch kein Klimaschaden. Schädlich sind jedoch Feinstaub und giftige Luftschadstoffe, speziell bei den ineffizienten Kaminöfen. Wer einen  solchen Ofen besitzt, zwingt die ganze Nachbarschaft wie auch die eigene Familie während der Heizperiode regelmäßig zum Passivrauchen.

Das ist kein Grund, die Energieholznutzung zu verbieten, aber massive Beschränkungen sind bei solchen Öfen notwendig. Unverständlich ist auch, dass für Energieholz fast immer der reduzierte Mehrwertsteuersatz gilt. Das Heizen mit Holz ist ja nicht gemeinnützig. Und aufgrund der hohen Nachfrage nach Brennholz mehren sich nicht nur Holzdiebstähle, sondern auch Meldungen von Sägewerken, die über Engpässe bei der Beschaffung von Stammholz klagen.

Holz wird seit Menschengedenken als Brennstoff genutzt: zum Kochen und Heizen, zur Glasherstellung und Metallverhüttung. Bis vor Kurzem zählte der Klimaschutz nicht zu den Gründen, mit Holz zu heizen. Die Menschen kaufen nicht um des Klimaschutzes willen Brennholz, sondern weil sie es warm haben möchten. Das Klima-Argument dient vor allem dazu, das Geschäft anzukurbeln und öffentliche Fördermittel für diesen Wirtschaftszweig zu bekommen.

„Weckruf“ von Holzlobbyisten

Befeuert wurde die Debatte um die richtige Art der Wald- und Holznutzung durch einen gemeinsamen Brief von Forst- und anderen Wissenschaftler:innen, die den Waldnaturschutz ablehnen. In ihrem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderten sie eine „Klima-intelligente Waldnutzung“ und wandten sich damit auch gegen jede weitere Unterschutzstellung wertvoller Waldgebiete.

Der Brief wiederholt mehrere fragwürdige und meist nachweislich falsche Behauptungen, mit denen die Intensivierung der Holzerzeugung als die beste Strategie für den Klimaschutz, den Erhalt gesunder Waldgebiete und sogar für den Schutz der biologischen Vielfalt angepriesen wird. Dass die Wälder heute mehr als je zuvor durch die Klimakrise, Schadstoffeinträge und intensive Waldnutzung leiden, wird unterschlagen. Beworben wird das eigene Geschäftsmodell, das als Wundermittel gegen eine Reihe aktueller Probleme gefördert werden soll. Über die Nebenwirkungen schweigt man sich aus.

Milchmädchenrechnungen

Unterschlagen wird zum Beispiel, dass mit den geernteten Bäumen das Kohlenstoffdepot des Wirtschaftswaldes immer wieder angezapft wird. Während dieses „CO₂-Depot“ in Urwäldern stets gefüllt bleibt, ist der Kohlenstoffvorrat von Wirtschaftswäldern im Durchschnitt halb leer. Denn wir ernten ja immer wieder Holz, so wie seit Jahrhunderten. Das ist kein Drama, aber im Wald auch kein Beitrag zum Klimaschutz.

Ein weiteres Argument: Das geerntete Holz würde bei der Verwendung den Kohlenstoff in Produkten speichern, während im Urwald stets so viel Holz verrottet, wie nachwächst. Im sogenannten Produktspeicher, der aus Holzbalken, Brettern und Möbeln, ja sogar aus Papier besteht, werde dieses Verrotten vermieden, was die Atmosphäre entlaste.

Auch hier wird, wie im Wirtschaftswald, das allgegenwärtige Kreislaufgeschehen ausgeblendet. Niemand stopft seine Wohnung mit Möbeln und Papier voll. Altes wird entsorgt, Häuser werden renoviert oder abgerissen, sodass der Produktspeicher konstant bleibt. Das wird sich erst ändern, wenn wir mehr langlebige Holzhäuser errichten und dadurch dieses Depot vergrößern. Zwar findet eine solche, sehr begrüßenswerte Entwicklung bereits statt, doch dadurch wächst dieser „CO₂-Speicher“ nur sehr langsam an. Die allermeisten Holzprodukte sind ohnehin kurzlebig: Papier, Brennholz, Einweg- und Wegwerfprodukte landen nach kurzer Zeit in der Verbrennung oder werden „entsorgt“.

Der Schutz der biologischen Vielfalt oder der Klimaschutz waren nie eine entscheidende Motivation für die Holzverwendung. Sie sind es auch heute nicht. Holz ist ein vielseitig verwendbarer und gut zu verarbeitender Werkstoff mit vielen wunderbaren Eigenschaften. Holz ist in allen Regionen gut verfügbar, und auch seine Entsorgung ist – spätestens in Form energetischer Verwertung – meist problemlos möglich.

Klimaschutz? Fehlanzeige!

Vonseiten der Forstwirtschaft heißt es oft, Wälder seien „unsere besten Klimaschützer“. Gemeint sind stets die forstlich bewirtschafteten Wälder. Man lobt nicht die Wälder an sich, sondern die eigene kommerzielle Tätigkeit. In dieser Darstellung sorgen Waldpflege und das Ernten von Bäumen für mehr Licht und Wachstum junger Bäume. Diese würden schneller als alte Bäume wachsen und mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre saugen. Urwälder hingegen befänden sich im Gleichgewicht, Zuwachs und Absterben hielten sich in etwa die Waage. Sie nähmen also kaum noch Treibhausgase aus der Luft auf.

Das klingt zwar plausibel, ist aber falsch. Denn die Holzernte im Wirtschaftswald verhindert, dass der Speicher größer wird. Sonst würde der Wald über viele weitere Jahrzehnte der Atmosphäre mehr Kohlenstoff entnehmen, als er zurückgibt. Und die kommenden Jahrzehnte sind für den Klimaschutz entscheidend.

Noch schlimmer als diese bewusste Irreführung ist aber, dass der gesamte Sektor – Waldeigentümer:innen, Forstleute und holzverarbeitende Betriebe –, sich bisher nicht getraut hat, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu wirksamem Klimaschutz aufzufordern. Und das, obwohl die eigene Geschäftsgrundlage bereits im Sterben liegt. Klimaschutz wird ausschließlich im Weiterverfolgen der bisherigen Geschäftspraxis gesehen.

Verteidigt endlich eure Wälder!

Es wäre auch für die Klimapolitik ein wichtiger Beitrag, wenn sich die Verbände der Land- und Forstwirtschaft lautstark für Klimaschutz einsetzen würden. Stattdessen lassen sie zum Beispiel die jungen Menschen, die mit teilweise drastischen Aktionen Klimaschutz einfordern, im Regen stehen. Man begnügt sich damit, Steuermittel zu fordern, um einige der Schäden zu reparieren, die durch vertrocknete Wälder und Ernten entstehen. So viel Geld ist aber nicht vorhanden, um sämtliche Schäden zu bewältigen, schon gar nicht in der Zukunft.

László Maráz

Der Autor ist diplomierter Forstwirt und koordiniert die AG Wälder im Forum Umwelt und Entwicklung sowie die verbandsübergreifende Dialogplattform Wald.

Ausführliche Fassung im Kritischen Agrarbericht 2023

Bisher erschienen:
Teil 1: Kippelemente
Teil 2: Extremwetter
Teil 3: Begriffe
Teil 4: Zoonosen
Teil 5: Atomkraft
Teil 6: Landwirtschaft
Teil 7: Rassismus
Teil 8: CO₂-Tricks
Teil 9: Männer
Teil 10: Klimaforschung
Teil 11: Graue Energie
Teil 12: Rebound-Effekt
Teil 13: Carbon Farming

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