Trouble in Paradise

Der Mythos von den ”guten” Alternativtouristen

Das Paradies, in das die Reiseunternehmen und wir uns selbst so gerne entführen, ist so paradiesisch nicht. Keine neue Erkenntnis, dennoch ist ”Trouble in Paradise”, gerade weil der Tourismus zu Zeit vor allem nach Süden wächst, brandaktuell. Das Buch richtet sich an alle, die es in die ferne (3.) Welt zieht, und insbesondere an die, die nach alternativen Reiseformen suchen. Checklisten für den ”besseren Tourismus” sind es allerdings nicht, was uns die AutorInnen mit auf die Reise geben wollen. Das ”Nachdenken über zukünftiges Reiseverhalten oder einen möglichen Reiseverzicht” soll den LeserInnen nicht abgenommen werden, stellt Herausgeber Christian Stock vom Freiburger Informationszentrum 3. Welt (iz3w) einleitend klar.

In fünf Teilen beziehen 20 AutorInnen aus verschiedenen Ländern durchaus unterschiedliche Positionen: Es gibt den besseren, weniger schädlichen Tourismus, meinen die einen, während die anderen sich von den ”isolierten Inseln des sanften Tourismus” distanzieren und nicht mehr an den ”guten” Tourismus auf dieser Welt glauben können. Die Antwort auf die Frage, ob Fernreisen ”politisch korrekt” sind, legt sich wohl jede/r Reisende individuell zurecht. Willkommene Argumente wie ”Tourismus als gute Tat”, etwa in Form eines Geldtransfers von Norden nach Süden, können allerdings bei näherem Hinsehen kaum gelten: Im Kapitel ”Wirtschaftliche und politische Aspekte” werden zunächst die Basisinformationen über die Wachstumsbranche Nr. 1 mitgeteilt – und es wird klar, daß z.B. auch bei gutgemeinten Ökoreisen oft über die Hälfte des touristischen Geldes im Herkunftsland bleibt. Teil 2 ”Tourismus und Umwelt” räumt endgültig auf mit dem Mythos des von vornherein ”guten” Ökotourismus. Die lange Liste der tourismusbedingten Umweltauswirkungen in den Zielländern oder eine aktuelle Bestandsaufnahme über die ökologischen Folgen des Flugverkehrs sind durchaus aufschlußreich. Dem Pro-Tourismus-Argument des ”interkulturellen Austauschs” geht Teil 3 des Buches nach. Mit Klischees wartet bekanntlich nicht nur die Neckermann-Reise-Szene auf – bei aufgeklärten Andersreisenden sehr verbreitet ist (immer noch) eine andere Art der Voreingenommenheit, auch als ”positiver Rassismus” bezeichnet: Auf der Suche nach ”Authentizität” wird das Fremde, Exotische idealisiert, hochgehoben – und damit nicht für voll genommen. Besonders lesenswert: Teil 4 ”Anders reisen – besser reisen?” Hier wird nicht nur auf witzige Art ein historisches Bild des inzwischen in die Jahre gekommenen ”Homo Rucksackiensis” gezeichnet – jenem selbsternannten Nicht-Touristen, der als Traveller, Backpacker, Trekker oder Globetrotter die ganze Welt beehrt, selbstverständlich mit Kreditkarte. Vor allem aber kommen in diesem Kapitel auch (endlich) die Bereisten zu Wort. Und wenn ein Einwohner im indischen Goa erzählt, wie er die Entwicklung vom individuellen Hippie- zum Massentourismus erlebt hat und was er davon hält, tagtäglich durch westlichen Technosound um den Schlaf gebracht zu werden, oder wenn VertreterInnen von tourismuskritischen Nichtregierungsorganisationen des Südens berichten – könnte man & frau sich mehr von solchen erhellenden Eindrücken dieser viel-bereisten Menschen wünschen.

Alles in allem ist ”Trouble in Paradise” eine Pflicht(vor)reiselektüre für alle, die´s nicht mehr und vor allem für die, die´s immer noch in die Ferne zieht.

Christian Stock (Hrsg.):
Trouble in Paradise
Tourismus in die Dritte Welt
Verlag iz3w, Freiburg 1997


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