Die EL PUENTE GmbH

Aus DER RABE RALF Juli/August 1995

In diesem Teil der Serie über Alternativ- oder „fairen“ Handel soll eine Firma vorgestellt werden, die aus einer 1972 begonnenen ökumenischen Vereinsarbeit entstand und 1977 als GmbH gegründet wurde – die Hildesheimer El Puente GmbH (benannt nach dem GründerInnenverein El Puente e.V. – Die Brücke).

Sie ist die zweitgrößte alternative Handelsorganisation, die ihren Schwerpunkt in der Förderung des Kunsthandwerks in der „3. Welt“ sieht. Vom 1994er Umsatz (ca. 4,5 Mio. DM) wurden 80% durch den Verkauf von Kunsthandwerk erzielt, der Rest durch den Verkauf von Lebensmitteln (Tee, Kaffee, Kakao, Gewürze u.a.) und Druckerzeugnissen. Das Unternehmen ist Mitglied der MITKA (siehe Teil 1) und beliefert als Großhändlerin Aktionsgruppen, Weltläden und Kirchengemeinden. Zu jedem Produkt sind Informationen über Herkunftsland, ProduzentInnen und Preiszusammensetzung erhältlich. Diese Transparenz, besonders das Offenlegen der Kalkulationen, ist nicht selbstverständlich in unserem Handelssystem und wird auch von einigen Alternativbetrieben als unseriös abgelehnt. Wer läßt sich schon gern in die Karten schauen?

In der El Puente GmbH gibt es derzeit 4 GesellschafterInnen-Gruppen, die jeweils 25% der Anteile an der GmbH halten: Der El Puente e.V.; die Gruppe der Weltläden, der CoCo e.V. (Comité de Colegas – Verein der MitarbeiterInnen, die somit als Angestellte auch gleichzeitig Entscheidungen mittragen.) und die Gruppe der Einzelpersonen. In Zukunft soll eine fünfte GesellschafterInnengruppe Mitspracherecht bekommen: die ProduzentInnen selbst.

Sehr interessant finde ich, daß die GmbH bis jetzt darauf verzichtet, durch einen eigenen Direktversand an EndverbraucherInnen zusätzliche Gewinne zu erwirtschaften. Das Argument gegen den Versandhandel ist, daß die Weltladen-AktivistInnen anhand der Produkte Bildungsarbeit betreiben sowie die Hintergrundinformationen ausführlicher und anschaulicher verbreiten können als dies durch einen kleinen Zusatztext unter dem Produktfoto im Versandhandels-Katalog möglich wäre.

El Puente maßt sich nicht an, das Allheilmittel gegen den ungerechten Welthandel zu besitzen, sondern will „ein Beispiel geben für einen etwas gerechteren Handel“ (Länder- und Projektverzeichnis von El Puente).

Neben dem Aufsichtsrat als Kontrollorgan über die Firmenwirtschaft gibt es ein weiteres Kontroll- und Entscheidungsgremium: den ProjektpartnerInnenausschuß. Dieser setzt sich aus 5 Mitgliedern des El Puente e.V. und 5 VertreterInnen der Weltläden zusammen. In diesem Ausschuß werden die Informationen über Projekte ausgewertet und entschieden, mit welchen Projekten die GmbH Handelsbeziehungen aufnimmt und mit welchen nicht. Als Entscheidungshilfen werden die Probleme diskutiert, die ich bereits im Teil 1 beschrieben habe, als es um die „Aktion 3. Welt-Handel“ ging. Ohne die Zustimmung des ProjektpartnerInnenausschusses kann die GmbH nichts unternehmen, auch wenn das Produkt, das in dem abgelehnten Projekt gefertigt wird, ein „Verkaufsschlager“ sein sollte. Im Vordergrund steht immer noch die solidarische Hilfeleistung von Projekten und nicht die eigene wirtschaftliche Entwicklung, was natürlich bei solch einem Anspruch zu Reibungen mit der realkapitalistischen (Markt-)Welt führt. Es ist auch das Grundproblem des Alternativhandels: der kapitalistische Markt und seine Gesetze können nicht einfach ignoriert werden, besonders, weil es in diesem System nur zwei Alternativen gibt: stetiges Wachstum oder das baldige „Aus“. Es gibt kein alternatives wirtschaftliches „Vakuum“, und so werden alle Alternativbetriebe irgendwann einmal vor der Wahl stehen, ihre Ideale zu retten und unterzugehen oder zu überleben und sich dem Markt, den „Wolfsgesetzen“ anzupassen.

Nach meinen Erfahrungen, die ich als ehemaliger DDR-Bürger in den letzten 5 Jahren im Bereich des (westdeutschen) Alternativhandels gesammelt habe, ist die El Puente GmbH eine von den ganz wenigen Unternehmen, die in dieser Größenordnung am ehesten „fairen“ Handel betreibt.

Daß dieses Unternehmen tatsächlich politischen Handel betreibt, verrät ein Blick auf die Produktpalette. Da wird Kaffee aus Kuba („Cubita“) angeboten, der trotz der US-amerikanischen Handelsblockade hier vertrieben wird. Pro Kilogramm Kaffee fließen 0,90 DM in ein Solaranlagenbauprojekt in der Sierra Maestra. In dem betreffenden Projektdorf soll eine 25-kW-Anlage gebaut werden, die 50 Häuser, einen Gesundheitsposten und eventuell eine Kaffeetrocknungsanlage mit Strom versorgen kann.

El Puente verschließt sich als Mitglied der MITKA auch der TransFair-Kampagne (siehe Teil1), da diese in gewisser Weise eine Augenwischerei darstellt, indem sie den ProduzentInnen zwar etwas höhere Einkommen ermöglicht, an den Ursachen ihrer Situation jedoch nicht rüttelt.

Alternativbetriebe stehen vor der Wahl, ihre Ideale zu retten und unterzugehen oder zu überleben und sich dem Markt anzupassen.

Stefan Schrom


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